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Jeder ist seines Glückes Schmied

„Das Wort Kunstschmied ist entstanden“, meint der Schmiedemeister Dirk Velte im hessischen Oberursel, „weil man sagt, er stellt teils filigrane Dinge her, die einen künstlerischen Anspruch haben. Ein Grabkreuz etwa, das spricht man einem Kunstschmied zu.“ In der deutschen Friedhofskultur nimmt die Schmiedekunst einen besonderen Platz ein. Nicht nur aufwendige Kreuze, sondern auch Tore und ganze Schmuckgitterstraßen wurden geschmiedet. Auf dem Taucherfriedhof im sächsischen Bautzen konnten 2022 mit Hilfe einer Förderung der DSD die schmiedeeisernen Portale von sechs Grabmalen der barocken Grufthausstraße aus dem 18. Jahrhundert restauriert werden. Dieses Jahr stehen die Fassadenrückseiten von sechs Grufthäusern an, auch hier unterstützt die DSD finanziell. In Berlin fördert die DSD zurzeit zahlreiche Schmuckgitter auf dem Alten Domfriedhof der St.-Hedwigs-Gemeinde, dem ältesten noch bestehenden katholischen Friedhof der Bundeshauptstadt.

 

Während das Schmiedehandwerk im 19. Jahrhundert durch die Industrialisierung zurückgedrängt wurde, erlebten Kunstschmiede im 20. Jahrhundert einen Aufschwung und fanden im Denkmalschutz eine neue Wirkungsstätte. Die Werke Fritz Kühns, einer der berühmtesten deutschen Kunstschmiede des 20. Jahrhunderts, sind dagegen weiterhin stark gefährdet oder bereits verloren. In seiner Heimatstadt Berlin wurde 2019 gegen starken Widerstand von Kulturschaffenden und von eigenen Gemeindemitgliedern das Gesamtkunstwerk der Nachkriegsfassung des Innenraums in der St.-Hedwigs-Kathedrale vernichtet, zu dem die geschmiedeten Geländer und Leuchter Kühns gehörten.

 

Auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg wird derzeit das Generalshotel abgerissen, für das Kühn umfangreiche Metallarbeiten gestaltete. Für die Erhaltung beider Gesamtkunstwerke setzte sich die DSD energisch und juristisch ein, leider entschieden Staat und Kirche gegen den Denkmalschutz. Fritz Kühns letzter Lehrling, der auch in St. Hedwig arbeitete, nennt dies unsinnige „Bilderstürmerei“.

Nach 100 Jahren wurden die verschwundenen Metallagaven auf Schloss Bothmer wieder eingepflanzt.

© Ulrich Pfeuffer / SSGK-MV
Nach 100 Jahren wurden die verschwundenen Metallagaven auf Schloss Bothmer wieder eingepflanzt.

Schmiedemeister Velte in Oberursel engagiert sich in der Denkmalpflege, weil es ihn stolz macht, „dass ich helfen darf, ein Werkstück zu erhalten, das ein Kollege von mir vor langer Zeit in vielen Hundert Arbeitsstunden hergestellt hat.“ Der Schmied sei dabei auch sein eigener Werkzeugmacher. „Wenn sie heute in eine Schmiede gehen und sehen da 50, 80, 100 Zangen hängen, dann müssen Sie wissen, die sind alle irgendwann mal zu einem einzigen Verwendungszweck hergestellt worden.“ So stecken hinter jedem Einzelstück viel Mühe und Geschicklichkeit, denn beim Schmieden gehe es grundsätzlich nicht nur um Kraft, erklärt er. Es sei unglaublich viel Technik dabei. „Aber zu Beginn, um die Technik zu erlernen, braucht man natürlich eine gewisse Ausdauer.“ Deswegen gäbe es, anders als oft gedacht, durchaus Frauen im Metallbauerhandwerk. „Das sind sehr häufig die Töchter von Betriebsinhabern“, die die Tradition ihrer Väter fortsetzen. Diesem Traditionserhalt fühlt sich auch die DSD verpflichtet. Denn, wie es auf der DSD-Homepage heißt: „das Kulturgut in Deutschland ist auf eigens geschulte Handwerker angewiesen“.

 

Stephan Kroener